Von Christiane Beek | RHEIN-NECKAR ZEITUNG 29./30.12.2012
© Thomas R. Schumann
Martin Gruber ist der Bergretter. Als Andreas Marthaler spielt er seit drei Jahren die Hauptrolle in der ZDF-Reihe "Die Bergretter". Am Donnerstag, 03. Januar, 20.15 Uhr, ist Start der neuen Staffel. Gruber (42) konnte für diese Rolle Beruf und Hobby bestens miteinander verknüpfen, denn der Schauspieler geht gern klettern. Martin Gruber wuchs in München-Giesing auf und absolvierte nach einer Lehre zum Hotelfachmann seine Schauspielausbildung an der "William Eser School" in New York. 1996 ging es vom Big Apple zurück nach Deutschland. Hier machte er im Regensburger Burggraben als Lysander im "Sommernachtstraum" erste Klettererfahrungen und entdeckte eine neue Leidenschaft: das Bergsteigen!
Es folgten zahlreiche TV-Rollen, ehe es den Schauspieler 2003 für drei Jahre erneut in die USA zog - diesmal an die Westküste, wo er sich als Synchronsprecher für diverse Hollywood-Airline-Produktionen und als Darsteller in Independent-Produktionen sein Geld verdiente. Von 2006 bis 2009 stand Martin Gruber als Felix Saalfeld in der Telenovela "Sturm der Liebe" täglich vor der Kamera.
Mit RNZ-Autorin Christiane Beek sprach der über seine ebenso spannende wie anfänglich schwierige Zeit in Amerika und seine Leidenschaft fürs Bergsteigen. Martin Gruber lebt mit seiner Frau Corinna und Tochter Paulina in München.
> Als "Bergretter" Andreas Marthaler gehen Sie oft Kraxeln und auch privat schlägt ihr Herz fürs Bergsteigen. Welchen Stellenwert hat Sport in Ihrem Leben?
Sport und viel Bewegung sind mittlerweile ein fester Bestandteil in meinem Leben geworden. Als Kind und selbst noch als Teenager war ich allerdings eher der Anti-Sport-Typ. Ich muss dazu sagen, dass zwei Seelen in meiner Brust schlafen. Die eine ist norddeutsch, die andere bayerisch.
Meine Mutter kommt aus Bremerhaven, dort habe ich einen großen Teil meiner Kindheit verbracht. Ich bin durch Schlick gelaufen, habe Muscheln gesammelt und Krabben gepult. Das höchste der Kletter-Gefühle war die "Überquerung" einer Sanddüne am Nordseestrand. Über meinen Vater - einen Münchner - bin ich erst so richtig in die Berge gekommen. Die echten sportlichen Ambitionen kamen aber erst viel später, so mit Anfang 20. Es fing in New York an. Ich habe damals im YMCA gewohnt - das war für "Big Apple"- Verhältnisse sehr kostengünstig - und dort gab es einen Haufen toller Sportangebote. Da hat es mich erwischt, seitdem bin ich mit dem Sportvirus infiziert.
> Sie haben in New York Schauspiel studiert. Warum ausgerechnet dort - gab es einen bestimmten Auslöser?
Vor vielen Jahren habe ich mal eine Lehre in einem Münchner Hotel gemacht. Das damalige Arabella-Haus war so gestaltet, dass es etwa 20 Prozent feste Mieter gab und 80 Prozent normale Hotelgäste. Einer von diesen festen Mietern war der inzwischen verstorbene Fersehjournalist Werner Baecker, der zwei Domizile hatte: Eins in New York und die zweite Bleibe im Arabella-Hotel in München. Wenn er von seinen Amerikareisen zurückkam, haben wir sein Gepäck aufs Zimmer geschleppt und er hat uns Auszubildenden dann immer irgendwas mitgebracht, zum Beispiel ein Foto mit einer Unterschrift von einem Prominenten. Lange nach meiner Ausbildung bin ich Werner Baecker dann wieder über den Weg gelaufen. Wir sind ins Gespräch gekommen und er hat sich erkundigt, was ich so mache. Ich hatte ihm erzählt, dass ich mal ein, zwei kleine Gigs hatte, einen auch in Los Angeles mit David Hasselhoff und Thomas Gottschalk - ich als junger Gottschalk in einem Film namens "Der Ring der Musketiere" als Peter Portas in einem dreißigsekündigen Rückblick! Zweimal geblinzelt und schon übersehen ... Ich habe also mal hier, mal dort gearbeitet und er fragte, ob ich denn nicht Lust habe, nach New York zu gehen, auf die Schauspielschule? Bei echtem Interesse an der Schauspielerei sollte ich auf jeden Fall nach Amerika gehen - und zwar am besten sofort! Das habe ich mir irgendwie zu Herzen genommen, hab mein Hab und Gut verkauft - besser gesagt meinen rostigen alten Fiat - und ein Ticket nach New York gelöst.
> Was waren die größten Schwierigkeiten?
Zunächst war es natürlich purer Enthusiasmus. Wenn ich mir was vornehme, dann ziehe ich es auch hunderprozentig durch und lasse mich für gewöhnlich von nichts abbringen. Vor Ort war dann allerdings eine der größten Schwierigkeiten die Sprache. Ein mittlerweile sehr gut befreundetes Ehepaar aus New York hat mich am zweiten Abend mit in Phillppe Starchs "Wiskey"-Bar genommen. Ich dachte bis zu diesem Zeitpunkt immer, ich kann Englisch, aber ich habe fast kein Wort verstanden. Und mein American English war eher ein Kauderwelsch. Ich habe trotzdem bei einigen Schulen vorgesprochen und wurde mitsamt dickem deutschem Akzent und glühenden roten Backen bei "William Esper" akzeptiert. Sie unterrichten dort die Meisner Technik, die unter anderem mit der "Repetition-Exercise" anfängt. Das ist wie ein verbales Pingpong Spiel. Man wiederholt dasselbe Wort oder dieseslbe Phrase mit einer bestimmten Emotion sehr häufig. Irgendwann bleibt es hängen. Man kann eine Sprache über das Papier lernen und weiß, was es bedeutet, aber man hat keine emotionale Verknüpfung dazu. Ao gesehen war die Wiederholungsübung sehr praktisch, weil man sofort einen gefühlsmäßigen Bezug dazu hatte. Und so habe ich mich dem US-Englisch langsam angenähert.
> Haben Sie zwischendurch nicht auch mal gedacht: Ich packe das nicht, ich gehe zurück?
Naja. Es gab mal Momente des Zweifelns, aber ich hatte mir vorgenommen, das Ding in New York durchzuziehen - drei Jahre, die wollte ich machen. Die Schauspielschule war enorm wichtig, um das Schauspielhandwerk vernünftig zu lernen - aber ich habe letztlich auch sehr viel vom Leben in der Stadt selbst profitiert. Diese Schwierigkeiten, mit denen ich jeden Tag zu kämpfen hatte. Die Unwägbarkeiten, die sprachlichen Hürden, die kulturelle Neueinstellung auf so viele verschiedene Menschen und Situationen - ich bin an meine Grenzen gekommen, keine Frage. Ich habe damals in New Jersey gewohnt, weil es am billigsten war und teilweise nach der Schauspielschule nebenbei noch gejobbt. Ich kann mich erinnern, dass ich nachts hundemüde und hungrig in der U-Bahn saß. Ich mußte zu Fuß immer noch relativ weit zu meinem Apartment gehen und das war keine schöne Gegend - heute ist das anders, da ist inzwischen alles renoviert worden, - aber damals war es ein echt finsteres Viertel. Ich lief, weil Winter, frierend durch die dunklen Gassen und habe mich in solchen Momenten durchaus auch mal ganz stark nach meiner deutschen Heimat gesehnt. Aber das waren Momente, die auch wieder vorbei gingen. Und am nächsten Morgen saß ich wieder frohen Mutes im Zug und habe den nächsten Monolog für den Unterricht auswendig gelernt.
> Seit 2009 spielen Sie Andreas Marthaler in "Die Bergretter", Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen?
Ich war damals noch als Felix in "Sturm der Liebe" im Fürstenhof unterwegs und bekam eine Einladung zu einem Casting in Berlin für "Die Bergretter". Drei Wochen später kam dann die Zusage. Bis zu dem Zeitpunkt hatte allerdings niemand gefragt, ob ich überhaupt klettern kann. Davon war man irgendwie selbstverständlich ausgegangen. Nach drei Jahren überwiegendem Studiodreh habe ich mich über die Rolle tierisch gefreut. Unser Außendrehanteil liegt bei über 90 Prozent - da weht einem oft frischer Wind ins Gesicht.
> Was fasziniert Sie am Klettern?
Die Nähe zur Natur und die absolute Konzentration auf die Sache. Weil es sonst in die Hose geht. Klettern ist für mich einen Art von Meditation, eine Quelle der Kraft. Und der Trainingseffekt ist nicht zu unterschätzen.
> Es gibt oft sehr spektakuläre Szenen bei den "Bergrettern". Machen Sie die Stunts alle selbst?
Größtenteils schon. Tauflüge, Gumpensprünge, Abseilaktionen, Kletterpartien und so weiter. Aber es gibt schon ein, zwei Dinge, die aus versicherungstechnischchen Grünen nicht durchführbar sind. Da kommen dann die unkaputtbaren Kollegen aus der Stuntabteilung ins Spiel.
> Sie waren drei Jahre Felix Saalfeld in "Sturm der Liebe". Was haben Sie aus der Zeit mitgenommen?
Man muss das Handwerk vorher beherrschen, sonst bricht man ein. Eine Telenovela ist Gedächtnistraining pur! Ich hatte pro Wochen 40 bis 60 Bilder, das ist ein ganz schöner Batzen, den man da lernen muss. Aber irgendwann habe ich von diesen Dreharbeiten im Studio Kopfschmerzen bekommen. Ich habe jeden Tag gedreht, bin nach Hause, habe meinen Text bis 23.30 Uhr gelernt und bin morgens um 6 Uhr wieder aufgestanden. Am Wochenende habe ich die Woche vorbereitet, Montag ging es wieder los. Das war eine wichtige Zeit, in der es aber auch nur Arbeit gab und so gut wie kein Privatleben. Ich habe alle kreativen Gelenke geölt und danach konnte mich wenig schocken. Ich profitiere noch heute von dieser dreijährigen Wahnsinns-Sturmzeit!
Anmerkung Birgitt. (Das Interview stand als pdf-Datei auf Martins offizieller Homepage. Es ist kein richtiges Ende erkennbar, vielleicht fehlt auch noch was. Martin hat auch nicht mehr von diesem Bericht. Es ist, so wie es ist, sehr interessant. Ich habe die Antworten mit großem Interesse gelesen. Ich wünsche Euch viel Spaß!