Es gibt sie noch, die tollkühnen Teufelskerle im deutschen Fernsehen: Martin Gruber, einst Frauenschwarm bei "Sturm der Liebe", brachte die nötigen Muckis und soliden Kletterkenntnisse mit, um sich für die Hauptrolle in der ZDF-Reihe "Die Bergretter" zu empfehlen. In der neuen Staffel, die am Donnerstag, 3. Januar, um 20.15 Uhr startet, braucht der 42-Jährige diese Fähigkeiten mehr denn je: Diesmal dürfen sich Fans auf noch auf spektakulärere Alpin-Action freuen. Zuvor kommt es am Mittwoch, 2. Januar, ebenfalls um 20.15 Uhr, zu einer denkwürdigen Begegnung: In dem spannenden Höhen-Melodram "Der Bergdoktor: Virus" kreuzen sich die Wege von Martin Gruber und seinem ZDF-Kollegen Hans Sigl.
teleschau: Herr Gruber, wie viel Muskeln haben Sie hinzugewonnen und wie viel Schweiß verloren bei den kräftezehrenden "Die Bergretter"- und "Der Bergdoktor: Virus"-Dreharbeiten?
Martin Gruber: Muskeln habe ich eher verloren - man glaubt es kaum. Ich bereite mich vor den Dreh-Blöcken immer ziemlich aufwendig vor - mit Schwimmen, Radfahren, Kraft- und Zirkeltraining, damit die Substanz für die fünf Drehmonate reicht. Diese Phase im Jahr zehrt ganz gewaltig an meinem Körper.
teleschau: Verständlich.
Gruber: Meistens habe ich danach vier bis fünf Kilo abgenommen. Man wird zäher, auch ein wenig sehniger. Aber im Grunde verliere ich durch die Strapazen eher Gewicht und damit auch an Muskelmasse. Es ist ein enormes Fitness-Training - mit einem leichten Diäteffekt.
teleschau: Es steht aber nicht in Ihrem Vertrag, dass Sie nach Abschluss der Dreharbeiten wieder gewogen - und der Gewichtsverlust etwa in Gold ausbezahlt wird?
Gruber: (lacht) Schön wär's. Bei uns ist es wie beim Boxen: Ich wiege mich vor den Dreharbeiten und danach. Zusatzprämien gibt's für den Gewichtsunterschied aber leider nicht. Die verlorenen Kilos kommen meistens ganz von selbst wieder. Allerdings war es ja die Grundvoraussetzung dafür, mich seinerzeit zu engagieren, dass ich eine gewisse Physis und Belastbarkeit mitbringe. Man brauchte einfach jemanden, der ein bisschen fit ist und der sich einigermaßen mit den Bergen auskennt.
teleschau: Jetzt stapeln Sie aber eher tief.
Gruber: (lacht) Ich muss schon aufpassen, dass ich nicht zu alt werde für den Job. Denn sonst kommt der nächste Junge um die Ecke und hängt statt mir mit dem Seil in der Wand.
teleschau: Klingt ja wie die Sorgen eines Profifußballers ...
Gruber: Der "Bergretter"-Job ist einfach anstrengend. Meine Rolle ist körperlich sehr fordernd. Irgendwann wird der Punkt kommen, an dem ich mir Gedanken mache, wie lange ich noch über den Abgründen baumeln oder über tiefe Gräben springen kann. Bis Mitte 70 (lacht) wird das schon noch funktionieren. Aber dann ist irgendwann mal Schicht im Schacht.
teleschau: Ihr Ehrgeiz bringt es mit sich, dass Sie möglichst viele der Kletterszenen selbst übernehmen.
Gruber: Ich habe von Anfang an immer klar gesagt, dass ich nur die Dinge machen möchte, deren Risiko ich überblicken kann. Deswegen prüfe ich die Details aller Action-Szenen im Vorfeld genau und überlege für mich, wie hoch der Gefahrenfaktor dabei liegt. Zum Glück haben wir mit den echten Bergrettern und den bestens ausgebildeten ÖAMTC-Hubschrauberpiloten sehr erfahrene Leute im Team, die genau wissen, was wir vorhaben und was dafür zu tun ist. Mich beruhigt das sehr, wenn ich auf der Kufe stehend mitfliege oder mich unterwegs aus der offenen Tür hinauslehne. Ein kleiner Pilotenfehler könnte mir da leicht das Licht auslöschen.
teleschau: Klingt nicht gerade beruhigend und animierend.
Gruber: Doch, doch. Zu 90 Prozent mache ich die Actionsachen selbst. Für die anderen Fälle gibt es meistens handfeste versicherungstechnische Einwände. Alles was "bodennah" stattfindet, ist meistens unproblematisch. Allerdings kann die Einstellung auch tatsächlich "bodennah" gedreht werden - nur hinter der Kuppe geht es unmittelbar 600 Meter in die Tiefe. Es ist also ein sehr relativer Begriff der Versicherungsfachleute.
teleschau: Wie oft haben Sie Ihren zuständigen Versicherungsvertreter schon nahe an den Wahnsinn getrieben?
Gruber: (lacht) Ich treffe ihn zum Glück nie persönlich. Das regelt die Produktionsfirma. Ich weiß aber, dass es viele Diskussionen gibt.
teleschau: Wenn Sie vom Festhalten an den Hubschrauber-Kufen sprechen: Wie haben Sie eigentlich gelernt, schwindel- und angstfrei aufzutreten?
Gruber: Ich bin eigentlich ein Wassertyp und stamme mütterlicherseits zu 50 Prozent von der Nordsee, aus Bremerhaven. Deswegen bin ich mit Schlickwanderungen, Krabben-Pulen und Helgoland-Überfahrten groß geworden. Der höchste Berg, auf dem ich als Junge stand, war ein Schlammberg, den ich mir selbst aufgeschichtet hatte. Mein Vater aus Bayern hat damals schon immer zu mir gesagt: Wer sich ins Wasser wagt, der kann auch auf die Berge marschieren. Er hat mich so oft es ging ins Gebirge mitgenommen. Daher habe ich von klein auf eigentlich nie viel Zeit an die Höhenangst verschwendet. Die Abstürze und Abgründe gehören halt zu den Bergen dazu.
teleschau: So kann man's auch sehen.
Gruber: Meine Theorie lautet immer: Egal ob man fünf, 15 oder 25 Meter abstürzt - weh tut's immer. Ab einer bestimmten Marke macht die Höhe keinen Unterschied mehr - und man gewöhnt sich daran.
teleschau: Seit zwei Jahren haben Sie ja neben ihrem 13-jährigen Sohn ein zweites Kind - eine kleine Tochter. Macht Sie diese Erfahrung wieder vorsichtiger?
Gruber: Ich war schon immer ein vorsichtiger Mensch und stürze mich nicht gern kopfüber ins Abenteuer. Toi, toi, toi - es ist zum Glück auch noch nie etwas passiert. Wenn man Kinder hat, überlegt man es sich lieber zwei Mal, ob man sich wirklich an ein Tau-Ende hängen sollte oder besser doch nicht. Es ist aber eher meine Frau, die gar nicht wissen möchte, was ich vor der Kamera wieder mache. Ihr ist es am liebsten, wenn ich möglichst wenig erzähle und stattdessen in einem Stück nach Hause komme.
teleschau: Die "Bergretter"-Reihe wurde ja für die Spielfilm-Länge, in der sie nun läuft, actionlastiger umgestaltet. Ihre Produktionsfirma gab schon das vollmundige Motto "The Bigger, the Better" aus. Damit müsste man Ihnen doch eine große Freude gemacht haben?
Gruber: Diese Aussage zu hören, ist für einen Schauspieler so, als ob der Weihnachtsmann kommt und einen riesengroßen Sack dabei hat. Aus diesem Füllhorn an Action und Abenteuern kann ich mir die Dinge raussuchen, die wirklich Freude machen. So ein Bekenntnis zur Action gibt es im deutschen Fernsehen an kaum einer zweiten Stelle - es sei denn, man bewegt sich im Flachland und lässt dort schnelle Autos fahren.
teleschau: Wie bei der RTL-Serie "Alarm für Cobra 11" ...
Gruber: In dem Spektakel, das wir betreiben, fange ich gerade erst so langsam an, mich komplett auszuleben. Am Anfang war bei uns der Helikopter-Flug das Nonplusultra. Dann kam der Tau-Flug als der nächste Nervenkitzel hinzu. Mittlerweile haben wir das noch bis zum Fallschirmsprung in den Bergen gesteigert. Und der Bergretter springt jemandem hinterher, der keinen Schirm trägt, um ihn in der Luft aufzufangen. Wir schießen uns für jede Geschichte spiralförmig nach oben. Ich bin selbst schon gespannt, was sich unsere Drehbuchautoren als Nächstes einfallen lassen.
teleschau: Was gab es denn in den neuen "Bergretter"-Folgen für Momente, in denen Sie selbst erst einmal zusammenzuckten?
Gruber: Es gibt eine Geschichte um eine Mutter, die mit ihrer Tochter auf einer morschen Brücke einbricht. Das Mädchen hängt über dem Abgrund. Der Helikopter naht. Marthaler baumelt kopfüber am Seil, um die beiden zu retten. Die Szene haben wir am Originalschauplatz einer atemberaubenden Brücke - über einem Wasserfall, der tatsächlich 30 Meter in die Tiefe stürzt - gedreht. Am Seil zu hängen, ist die eine Sache. Kopfüber am Seil zu hängen, noch einmal ein ganz andere. Und das Ganze dann über einem tosenden Sturzbach. Das war ein Kick, den ich in dieser Form zuvor noch nie erlebt hatte.
teleschau: Sie dürfen in solchen Einstellungen ja angestrengt aussehen, auch schwitzen und fluchen. Gibt es aber trotzdem dann noch den Schauspieler-Moment, in dem man sich Gedanken macht, wie man gerade vor der Kamera wirkt?
Gruber: Die einzigen Gedanken sind: Kann ich mich festhalten? Habe ich meine Kollegen gut im Griff? Ist alles sicher und der Karabiner-Haken fest geschlossen? Ob mein Helm schief sitzt oder mein Gesicht verschmiert aussieht, ist in diesem Moment natürlich völlig egal.
teleschau: Im Special "Der Bergretter: Virus" bekamen Sie es ja mit den Kollegen aus der etablierten ZDF-Reihe zu tun. War das bei allem Vergnügen, das man Ihnen auch im Film ansieht, heimlich nicht auch ein Gockelkampf?
Gruber: (lacht) Überhaupt nicht. Wir schätzen uns jetzt schon seit mehr als zehn Jahren. Kennengelernt haben wir uns einst bei der "SOKO Kitzbühel". Außerdem haben wir früher schon öfter Squash miteinander gespielt. Wenn es jemals Rivalitäten gab, dann höchstens beim gemeinsamen Sport. Beim Drehen war es überhaupt kein Thema, dass der eine dem anderen irgendetwas beweisen musste.
teleschau: Tastsächlich mussten Sie sich sehr gut miteinander arrangieren - bis hin zu einer Szene, in der sie beide gemeinsam mehr oder weniger nackt unter einer Rettungsdecke liegen.
Gruber: Das wäre eine ganz schwierige Hausnummer geworden, wenn ich die Szene mit einem Kollegen hätte drehen müssen, den ich nicht kenne. Wir waren zum Glück nicht völlig nackt, ein bisschen Textil hatte man uns doch gelassen. Aber die Umstände waren grausam: Es war bitterkalt. Wir drehten in einem engen Iglu - und mindestens fünf Team-Mitglieder klemmten mit in der Eishöhle. Schnell begann es zu tropfen. Es war definitiv eine Szene, die man lieber in einem Studio und nicht im Freien gedreht hätte. Dann hätte ich mich freuen können, danach rauszugehen, um einen warmen Tee zu trinken.
teleschau: Wie lange steckten Sie denn gemeinsam unter der Decke?
Gruber: Zwei bis drei Stunden dauerte es schon, bis alles im Kasten war. Mich fröstelt im Nachhinein noch immer.
teleschau: Haben Sie die Szene eigentlich geprobt - etwa in einem Hotelbett?
Gruber: (lacht) Bei einer Leseprobe hatten wir zwei uns kurz abgesprochen, wie wir die Szene anlegen wollten. Doch dann ging alles ganz schnell: Wir ließen das Los entscheiden, wer in der Löffelchenstellung vorne oder hinten liegen musste.
teleschau: Der Dreh hat sich aber hoffentlich nicht zum traumatischen Erlebnis für Sie entwickelt?
Gruber: (lacht) Ich wache jedenfalls nicht nachts auf und prüfe, ob nicht wirklich noch Hans Sigl neben mir liegt.
teleschau: Auch sonst durften Sie den Bergdoktor bei den "Virus"-Dreharbeiten ja dann ganz schön ins Schwitzen bringen.
Gruber: Das lag aber auch in den Rollen begründet. Immerhin bin ich der Bergretter, der dem Doc hilft, im tief verschneiten Hochgebirge voranzukommen. Dass er etwas stärker schnaufen muss als ich, liegt ja auf der Hand. Allerdings ist der Hans in Wirklichkeit ein begnadeter Skifahrer. Er fährt wie der Henker, ich bin da viel konservativer.
teleschau: Nachdem die Crossover-Folge mit "Der Bergdoktor" so gut geklappt hat, können Sie jetzt Wünsche für ähnliche Projekte äußern - etwa "Bergretter unterwegs mit dem Traumschiff"?
Gruber: (lacht) Ein Location-Wechsel wäre tatsächlich großartig. Wenn wir mit dem ganzen "Bergretter"-Team etwa nach Südamerika fahren könnten - nach Feuerland oder hoch hinauf in die Anden. Gut vorstellen könnte ich mir auch, die Geschichte für ein Special in eine Großstadt zu verlagern. Dort gibt's dann eben die Hochhäuser zum Klettern. Wie wär's mit einem Einsatz in New York? Oder wenigstens in Frankfurt?
© Rupert Sommer - Mit freundlicher Genehmigung von "teleschau - der mediendienst"